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Schorndorfer Nachrichten 29. September 2023

Wieder voll im Trend: Analoge Fotografie

Redaktionsmitglied Barbara Pienek

In Erwin Schlumpbergers Online-Fotohandel sind hochwertige Klassiker gefragt, bei Andreas Erdmann Filme, Gebraucht- und Sofortbildkameras

Schorndorf. 

Kamera auf, Rollfilm rein, Klappe zu – und dann beginnt das große Wagnis: Ist der Film richtig eingelegt, wurde er wirklich weitertransportiert, wie viele der 24 oder 36 Bilder sind was geworden? Ängste, die Hobby- und Gelegenheitsfotografen dank der digitalen Technik längst abgelegt haben: Noch nie war Fotografieren so einfach und komfortabel wie heute. Mittlerweile lassen sich mit dem Handy auch ohne tiefgreifende Kenntnisse perfekte Bilder machen. Umso erstaunlicher, dass die analoge Fotografie, die jahrelang totgesagt wurde, eine Renaissance erlebt.

Erwin Schlumpberger, der seit 2016 in Schorndorf einen Fotohandel für klassische Kameras betreibt, profitiert davon: Der An- und Verkauf von hochwertigen, anlogen Leica- und Hasselblad-Kameras hat sich mittlerweile zu seinem Kerngeschäft entwickelt – mit Kunden aus ganz Deutschland, fast die Hälfte kommt sogar aus dem europäischen Ausland. Auf Fotomessen am Leica-Sitz in Wetzlar und in Fellbach, erzählt Schlumpberger, trifft er vor allem ältere Männer, die das Fotografieren noch mit einer analogen Kamera gelernt, womöglich noch eine alte Leica in der Schublade liegen haben – und sich wieder auf die damit verbundene Entschleunigung und das Zusammenspiel von Blende, Verschlusszeiten und Lichtempfindlichkeit einlassen wollen. Manche kommen auch über entsprechende Apps für Digitalbilder zurück zur Analogfotografie. In Frankreich, auf den Fotobörsen in Paris und Straßburg, erzählt Schlumpberger, ist die Zielgruppe deutlich jünger – und weiblicher.

„Die Königsklasse unter den Kameras“: 30 000 Euro für eine Leica

Doch auch wenn er in seinem Schaufenster und hinter der Ladentheke seiner Werbe- und Internetagentur an der Ecke Neue Straße/Kirchgasse einige Kameras ausgestellt hat, die Blechattrappen sind reine Dekoration. Tatsächlich spielt sich sein Fotohandel im Internet ab, auch sein Lager ist woanders. „Bei mir gibt es auch keine Filme“, sagt Schlumpberger, der es als Werbe- und Internetprofi verstanden hat, sich online entsprechend zu positionieren – und die Exklusivität seiner Produkte und seine Expertise darzustellen: Jeden Tag kauft er gebrauchte Kameras an, jeden Tag verkauft er an Leica- und Hasselblad-Liebhaber. „Das ist die Königsklasse unter den Kameras“, sagt Schlumpberger und vergleicht die Secondhand-Ware mit Oldtimern im Automobilbereich: „Das ist eine Wertanlage.“ Wer sich auf den beiden Domains www.fotohandel.de oder www.klassische-kameras.de für einen Fotoapparat interessiert, erkennt den Sammler- und Seltenheitswert und ist bereit, mindestens einen vierstelligen Euro-Betrag zu investieren. Soll es auch noch ein passendes Hochleistungsobjektiv sein, kann das noch mal mit 4000 Euro zu Buche schlagen. Schlumpberger ist außerdem spezialisiert auf die Wertermittlung alter Kameras, hat Kontakte zu den wenigen Fachwerkstätten und vermittelt besondere Stücke auch an Auktionen: So wie die „Leica Black Paint“, die schwarz lackierte Kamera-Rarität einer ehemaligen Pressefotografin, die bei einer Spezialauktion 30 000 Euro eingebracht hat – auch für Schlumpberger „ein besonderes Erlebnis“. Die analogen Kameras, Objektive und Filme kennt der Mittfünfziger noch aus seiner Lehrzeit: Im Fotohaus Weizsäcker an der Neuen Brücke in Stuttgart hat er vor 38 Jahren eine Ausbildung zum Fotokaufmann gemacht. Und obwohl er sich schon vor 20 Jahren als Betriebswirt mit einer Internet- und Werbeagentur selbstständig gemacht hat, Kameras – ob neu oder gebraucht, analog oder digital – haben ihn immer beschäftigt. In seinem Fotohandel, sagt er, erlebt er heute „jeden Tag ein Déjà-vu“.

Teure Filme, lange Entwicklungszeiten – für junge Analog-Fans kein Problem

Nicht anders geht es Andreas Erdmann. Auch er kennt analoge Fotoapparate, Filme und Papierabzüge noch aus seiner Lehrzeit, weiß noch von den Tücken und Kniffen – und von der Enttäuschung der Kunden, wenn die Kamera den Film mal wieder nicht weitertransportiert hat oder kein einziges Bild was geworden ist. Auch bei Ringfoto Erdmann an der Karlstraße, wo es Regale voller digitaler Kompakt- und Spiegelreflexkameras samt passendem Zubehör gibt, beobachtet man schon seit ein paar Jahren einen Trend zur Analog-Fotografie: Hier sind es vor allem die jüngeren Kunden, die mit digitalen Kameras aufgewachsen sind, und bewusst eine Alternative zum perfekten Foto suchen. Teure Filme, eine Woche Entwicklungszeit – „ist okay“, bekommt Andreas Erdmann immer wieder zu hören. Auch er verkauft in seinem Onlineshop gebrauchte Analog-Kameras. Im Laden hat er eine überschaubare Auswahl an Kodak-, Ilford-, Fuji-Filmen zu bieten, mit Orwo sogar einen DDR-Klassiker aus Wolfen in Sachsen-Anhalt. Weil bei ihm die Filme schon mal ausverkauft waren und die Lieferzeit bis zu einem Dreivierteljahr betragen kann, bestellt er laufend nach. Ein eigenes Fotolabor betreibt Erdmann allerdings nicht mehr, die Entwicklungsmaschine ist längst stillgelegt: Er arbeitet mit Laboren in Stuttgart und Göppingen zusammen. Was bei jungen Kunden gerade außerdem schwer angesagt ist, sind die analogen Sofortbildkameras von Polaroid, aber vor allem die „Instax“-Kameras von Fuji, die es auch im schwarz- oder braun-silbernen Retrostyle alter Kameras gibt – und alles, nur keine technisch perfekten Bilder liefert. Doch der Trend ist ungebrochen: 2010 verkaufte das Unternehmen Medienberichten zufolge weltweit knapp eine halbe Million seiner „Instax“-Modelle, zehn Jahre später waren es schon zehn Millionen. Auch die Nachfrage nach Rollfilmen übersteigt zurzeit das Angebot. Weil die Produzenten zur Jahrtausendwende viele Produktionsstätten geschlossen oder stark verkleinert haben, ist es schwierig, die Nachfrage zu bedienen. Das macht sich auch im Preis bemerkbar: Fotofilme kosten heute zwischen zwölf und 20 Euro – plus 15 Euro für die Entwicklung. Ob digital oder analog – letztendlich, sagt Foto-Profi Andreas Erdmann, kommt es beim Fotografieren aber sowieso auf den Blick an: „Ich kann mit der tollsten Kamera die schlechtesten Bilder machen.“ Die Leica M6, die Erwin Schlumpberger fürs Foto in die Hand genommen hat, gibt es seit den 50ern – und ist deshalb ein Klassiker unter den hochwertigen Kameras. In Deutschland gibt es vielleicht zehn vergleichbare Exemplare. Fotos: Schneider Schwer angesagt bei der Jugend: Sofortbildkameras von Polaroid oder – mit der „Instax“ – auch von Fuji. Rollfilme für analoge Kameras bestellt Andreas Erdmann laufend nach, um angesichts langer Lieferzeiten nicht zu riskieren, ausverkauft zu sein.